27.01.2022 „Spezialbrille“ bietet keinen Nutzen bei Makuladegeneration
Augenärztliche Fachverbände: Täuschung der Betroffenen
Düsseldorf 27.01.2022 – Bei Makulaerkrankungen sind weder Prismen zur Bildverlagerung noch eine Wellenfrontoptimierung sinnvoll – und auch nicht deren Kombination. Das machen augenärztliche Fachverbände in einer Stellungnahme zur „BEST MACULA Spezialbrille“ klar, die ein Optiker aus Dortmund als Hilfsmittel für Menschen mit Netzhautdegeneration anbietet. Bei einer Makuladegeneration werden Anteile der zentralen Netzhaut zerstört. Das führt zu einem Verlust der zentralen Sehschärfe: Genau dort, wo man hinblickt, ist ein blinder Fleck. Das Gehirn sucht dann als neuen Fixierpunkt auf der Netzhaut die Netzhautstelle mit dem dann schärfsten, aber verminderten Sehen. Mit viel Mühe können die Betroffenen aber die „exzentrische Fixation“ erlernen: Beim Lesen von Texten beispielsweise lernen sie, gezielt „daneben zu sehen“, um noch intakte Netzhautbereiche neben dem geschädigten Areal zu nutzen.
Ein Optiker aus Dortmund hat die „BEST MACULA Spezialbrille“ patentieren lassen, die mit Hilfe von Prismen das Bild auf den noch intakten Teil der Netzhaut jeden Auges verlagern soll. Auf diese Weise werde die exzentrische Fixation unterstützt und die Körperhaltung der Betroffenen werde positiv beeinflusst. In der Patentschrift bezieht sich der Optiker auf eine kanadische Publikation (1), in die die Daten von 33 untersuchten Personen einflossen. Dabei handelt es sich um eine retrospektive Analyse, eine Kontrollgruppe wurde nicht untersucht.
Falsches Heilversprechen
„Es ist davon auszugehen, dass die in der Patentschrift beschriebene Brille nicht besser zur Rehabilitation bei Makuladegeneration geeignet ist als konventionelle Brillen.“ Zu diesem Schluss kommen der Berufsverband der Augenärzte (BVA), die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG), die Bielschowsky Gesellschaft (BG) und die Retinologische Gesellschaft (RG) in ihrer Stellungnahme (2). Die Fachverbände werten die entsprechende Darstellung daher als Täuschung. Ein solches falsches Heilversprechen birgt zudem die Gefahr, dass eine sinnvolle Anpassung vergrößernder Sehhilfen, sinnvolle Trainingsmaßnahmen oder gar eine notwendige medikamentöse Behandlung zur Besserung der Sehschärfe unterbleiben.
Komplexes Zusammenspiel von Auge und Hirn
Das Bild, das über die Hornhaut und Linse ins Auge auf die Netzhaut projiziert wird, wird über die Fasern des Sehnervs und der Sehstrahlung auf die Hirnrinde übertragen. Dabei entsprechen Orte auf der Netzhaut Orten in der Sehrinde. Diese Projektion entspricht einem Koordinatensystem. Ändert sich die Blickrichtung, dann wird das Koordinatensystem „mitgenommen“.
Wie Prismen wirken
Prismen ändern den Winkel, mit dem Lichtstrahlen ins Auge fallen. Dadurch wird zwar die Abbildung des Raumes verschoben, aber das in der Hirnrinde den Netzhaut-Orten zugeordnete Koordinatensystem wird dadurch nicht verändert. Die Augen führen vielmehr automatisch eine „Einstellbewegung“ aus, die die Wirkung des Prismas kompensiert. Deshalb ist das Tragen von Prismen aus pathophysiologischer Sicht bei einer Makuladegeneration sinnlos. Eine randomisierte englische Studie (3) mit 225 Teilnehmern zeigte dann auch in drei Behandlungsgruppen, die eine Kontrollgruppe umfassten, keinerlei Wirkungsunterschiede, ob nun Prismen eingesetzt wurden oder nicht.
Sinnvolles Training anbieten
Auch bei der exzentrischen Fixation werden die in der Hirnrinde fixierten Koordinaten nicht neu bewertet. Deshalb ist der Lernprozess bei Makuladegeneration leider sehr mühsam. Es muss trainiert werden, bewusst daneben zu sehen. Es kann auch sein, dass der Bereich, in dem die Netzhautzellen zerstört wurden, im Laufe der Krankheit größer wird, so dass der Ort der bestmöglichen Fixation sich ändert. Den Betroffenen kann geholfen werden, wenn ihnen sinnvolle Rehabilitations- und Trainingsmaßnahmen angeboten werden. Man sollte ihnen nicht versprechen, durch eine Prismenbrille ließe sich auf einfache Art und Weise ein besseres Sehen ermöglichen.
Wellenfront-optimierte Gläser – für Patienten mit Makuladegeneration nicht besser als die üblichen Gläser
Ein anderer Aspekt, bei dem der Anbieter mit irreführenden Versprechungen arbeitet, sind „Wellenfront-optimierte Gläser“. Theoretisch sollten solche Gläser kleine irreguläre Abbildungsfehler der Augen kompensieren und so zu höherer Sehschärfe führen. Hierbei geht es aber um Sehschärfen zwischen ca. 0,8 -1,0 und besser. Durch die Netzhautschäden bei einer Makuladegeneration ist jedoch die Sehschärfe so stark verringert, dass eine Besserung durch die Korrektur kleinster optischer Abbildungsfehler gar nicht bemerkt werden kann. Solche Gläser haben also für Patienten mit Makuladegeneration im Vergleich zu üblichen Gläsern keinen zusätzlichen Nutzen.
(1) Markowitz Samuel N., Jack E. Teplitsky, Maryam Taheri-Shirazi Restitution of potential visual acuity in low vision patients with the use of yoke prisms. Optom. 2021 Jan 18:S1888-4296(20)30129-1. Doi: 10.1016/j.optom.2020.10.004.
(2) https://augeninfo.de/separee/aktuell/2021/stellungnahme_spezialbrille_bestmacula.pdf
(3) Smith HJ, Dickinson CM, Cacho I, Reeves BC, Harper RA. A randomized controlled trial to determine the effectiveness of prism spectacles for patients with age-related macular degeneration. Archives of Ophthalmology 2005;123(8):1042-50
Filter für Smartphones, Computerbrillen für Kinder, Kontaktlinsen für PC-Arbeit: Viele Produkte werben mit dem Schutz vor Blaulicht, das von Bildschirmen und Handydisplays ausgeht. Doch ist blaues Licht wirklich schädlich für die Augen, beeinträchtigt es den Schlaf? Nein, sagen Experten der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG).
Blaues Licht gehört zum sichtbaren Teil des elektromagnetischen Spektrums und zeichnet sich durch Energiereichtum aus. „Dennoch ist die Lichtstärke bei der Nutzung elektronischer Geräte viel zu gering, um Netzhautschäden an den Augen hervorzurufen“, sagt Prof. em. Michael Bach vom Universitätsklinikum Freiburg. Dies zeigt der Vergleich: Die natürliche Beleuchtungsstärke im Freien bei bedecktem Winterhimmel beträgt in unseren Breitengraden etwa 5000 lux, an einem Sonnentag bis zu 100.000 lux. Ein Computer-Bildschirm, sehr hell eingestellt, bleibt in 50 Zentimetern Abstand jedoch unter 500 lux. „Auch wenn Kinder durch Corona-bedingten Fernunterricht stundenlang vor Bildschirmen sitzen, sind zumindest Blaulicht-Augenschäden dadurch nicht zu befürchten“, stellt der Sehforscher fest. Eine weitere Erkenntnis zu vermeintlichen Beeinträchtigungen: Kontaktlinsen, die Blaulicht blockieren, schützen einer aktuellen Studie zufolge nicht besser vor einer Ermüdung der Augen bei der Bildschirmarbeit als Standardkontaktlinsen (1).
Entwarnung gibt DOG-Experte Bach auch in Bezug auf mögliche Schlafstörungen, die das Blaulicht durch abendliches Lesen an elektronischen Geräten verursachen könnte. Diese Annahme sei inzwischen durch eine Studie mit 167 Probanden widerlegt, die erst vor wenigen Monaten erschien (2). Forscher hätten in dieser Studie die Wirkung einer sogenannten „Night Shift“-Einstellung untersucht – eine Funktion, die bei bestimmten Geräten den Blauanteil vom Displaylicht dimme, um die behauptete Wirkung auf den Schlaf zu reduzieren. Der dreiarmigen Studie zufolge gab es keinen Unterschied in Bezug auf die Schlafqualität zwischen der Gruppe, die die „Night Shift“-Einstellung aktiviert hatte, der Gruppe, die keine „Night Shift“-Funktion aktiviert hatte oder jener Gruppe, die gar kein SmartPhone genutzt hatte. Der Tipp des Freiburger Sehforschers lautet daher: „Wer vor dem Einschlafen auf einem elektronischen Gerät lesen möchte, sollte eine maximale Helligkeit vermeiden – diese Empfehlung klingt trivial, ist aber richtig.
DOG-Präsident Prof. Hagen Thieme findet es wichtig, diese Forschungserkenntnisse in die breite Öffentlichkeit zu tragen. „Sie dienen der Aufklärung und schützen Verbraucherinnen und Verbraucher vor irreführender Werbung und verunsichernden Falschmeldungen, die rein kommerzielle Interessen verfolgen“, sagt der Direktor der Universitätsaugenklinik Magdeburg.
Referenzen: 1. Singh S, Downie LE, Anderson AJ. Do Blue-blocking Lenses Reduce Eye Strain From Extended Screen Time? A Double-Masked Randomized Controlled Trial. Am J Ophthalmol 2021;226:243–251. https://doi.org/10.1016/j.ajo.2021.02.010 2. Duraccio KM, Zaugg KK, Blackburn RC, Jensen CD. Does iPhone night shift mitigate negative effects of smartphone use on sleep outcomes in emerging adults? Sleep Health 2021. https://doi.org/10.1016/j.sleh.2021.03.005
Gehen als Therapie für gute Ideen und das positive Denken - welche Rolle spielen die Augen dabei?
Aristoteles, Jean-Jacques Rousseau, Friedrich Nietzsche, Albert Einstein, Charles Darwin, Soren Kierkegaard, Henry D. Thoreau und der heilige Augustinus von Hippo ... Was haben diese Männer, die zu den einflussreichsten Denkern der abendländischen Geschichte gehören, gemeinsam, außer dass sie revolutionäre Ideen hatten, die die Welt veränderten?
Sie alle hatten die Angewohnheit, täglich zu gehen. "Ich kann nur denken, wenn ich gehe; mein Verstand arbeitet nur mit meinen Beinen", sagte Rousseau.
Wissenschaft erklärt
Was diese Genies intuitiv erkannten, wird heute von der Neurowissenschaft unterstützt. Forscher der Stanford University führten eine Studie durch, in der sie das Kreativitätsniveau von Menschen, die mindestens 20 Minuten am Tag zu Fuß gingen, mit denen verglichen, die diese Gewohnheit nicht hatten.
Im Jahr 2014 berichteten sie über ihre Ergebnisse: Gehen erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass die Person innovative Ideen hatte und bei Kreativitätsübungen erfolgreich war, um bis zu 60 %. Die gleichen Ergebnisse wurden bei Personen beobachtet, die das Gehen auf Laufbändern in Innenräumen übten, wie bei denen, die im Freien gingen.
Der wahrscheinliche Grund? Gehen erhöht die Durchblutung des Gehirns, steigert die Aktivität im Hippocampus, wo Erinnerungen gespeichert werden, verbessert die kognitive Entwicklung und fördert die Bildung neuer Neuronen, was mit der Entstehung neuer Ideen in Verbindung gebracht werden kann.
Therapeutische Wirkung
Die amerikanische Psychologin Francine Shapiro beobachtete, dass die spontane Augenbewegung beim Gehen, wodurch wir auf verschiedene Dinge in unserer Umgebung schauen, anstatt auf einen bestimmten festen Punkt, negative Gedanken lindert.
Ausgehend von ihrer persönlichen Erfahrung vertiefte sie das Phänomen und identifizierte neurologische Ursachen. Diese Entdeckung war die Grundlage ihrer innovativen EMDR-Therapie (Eye Movement Desensitization and Reprocessing), die sie entwickelte und unter anderem zur Behandlung von Kriegsveteranen mit PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) einsetzte.
Sich bewegen
Wenn wir vorwärts gehen, ist es, als ob wir unsere Ängste und unsere Belastungen hinter uns lassen. Wenn wir gehen, können wir Probleme aus einer neuen Perspektive sehen, mit einem klareren Kopf.
Wir fühlen uns körperlich als Einheit, unsere unteren Gliedmaßen bewegen sich mit dem Rest unseres Körpers, was beim Sitzen nie passiert. Und all das wird noch verstärkt durch die gute Wirkung des Gehens auf Herz, Kreislauf und sogar die Körperhaltung. Wenn es mitten in der Natur ist, mit einer inspirierenden Aussicht und frischer Luft, ist es sogar noch besser. (Quelle: aleteia, 07-2021)